Mit oder ohne Kirche?

Kirche Glaube Spiritualität

Diese Frage stellen sich Christen schon seit den Frühzeiten des Christentums.

Bereits im Konzil von Nicäa wurden Getaufte aus der sichtbaren Gestalt der Kirche ausgeschlossen. Und die Liste der "Anathema sit" (der sei ausgeschlossen) ist lang über die Jahrhunderte. Erstmals das 2. Vatikanische Konzil kam ohne diese Ansage aus. Johannes Paul II hat dann - nicht nur, aber vor allem - die Schranken wieder hochgezogen, Theologen Lehrverbot erteilt oder den einen oder die andere doch wieder ausgeschlossen. Ein Freund von mir hat sogar eine Exkommunikations(Auschluss)urkunde zuhause, nachdem er nach Niederlegung seines kath. Priesteramtes altkatholisch geworden war.

Also: Drinnen oder draußen?

Als christlicher, sogar katholischer Theologe muss ich ganz klar sagen: Die Institution Kirche (egal welche) ist niemals identisch mit der Gemeinschaft der Glaubenden bzw. die Gemeinschaft der Getauften. Auf die Taufe und den Glauben der Person kommt es an. Und der Maßstab dafür ist? Naja, schon wieder unklar....

Im Kern ist die Taufe verbunden mit dem Bekenntnis zur Dreifaltigkeit des einen Gottes: Wir taufen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Wussten Sie, dass jeder Mensch (auch ein Nicht-Christ oder sogar ein Atheist) taufen kann (Nottaufe nennt man das). Dadurch kommt ein Mensch in die Gemeinschaft der Glaubenden und Getauften. Erst später (nach Nicäa) kommt das offizielle Glaubensbekenntnis hinzu, das schon einige Korrekturen in Richtung richtig/falsch drinnen/draußen beinhaltete. So sagen die Orthodoxen heute ein kleines Wort anders und die Evangelischen tun sich schwer mit dem Begriff "katholisch" im Glaubensbekenntnis, obwohl es nicht die Institution römisch-kath. Kirche meint. Aber nochmal die Frage: automatisch in eine Institution, vielleicht noch mit Kirchensteuer und Moral und Gesetz?

kleines Kind Taufe in einer katholischen KircheDie Kirchen sehen das schon so. In Griechenland zum Beispiel gab es lange keine Staatsbürgerschaft. Wer in Griechenland getauft war, war automatisch Mitglied der griechischen (orthodoxen) Kirche und Grieche.

Heute würden wir das als übergriffig bezeichnen. Haben wir doch seit der Aufklärung ein Gefühl für die Trennung von Institution Kirche, Glaubensüberzeugung und Staat.

Ich möchte hier nicht gegen die Mitgliedschaft in einer Kirche Werbung machen. Es macht schon Sinn, denn Glaube geht schlecht(er) alleine (meine Meinung). Vieles, was mich zum Glauben an Gott, Jesus und den Heiligen Geist gebracht hat, was mich trägt und hält, habe ich von der Kirchengemeinde und Kirchengemeinschaft in der kath. Kirche bekommen. Sonst wäre ich vielleicht ein unwissender, ungläubiger Christ und schon gar kein Theologe geworden. Durch das Studium habe ich übrigens viel Freiheit vermittelt bekommen, die Dinge der irdischen, institutionellen Kirche relativ zu sehen. Also zum Beispiel mit der Glaubens- und Taufgemeinschaft aller Christen - jenseits von Konfessionen.

Heute tun sich immer mehr Menschen schwer mit dem Christentum - nein: mit der institutionellen Kirche - und darum mit dem Christentum. Weil sie es gar nicht mehr richtig anschauen, ob das was für sie wäre, was Jesus erzählt, gelebt, verkündet hat: die FROHE BOTSCHAFT.

In München gibt es 2021 ca. 60% Menschen, die keiner verfassten Religion angehören (soweit man das statistisch erfassen kann). Katholisch sind noch ca. 30%, evangelisch ca. 15%. Also ein Land voller Ungläubiger?

Na ja, viele sind getauft von diesen 60%, nur aus der Institution Kirche ausgetreten. Viele haben in christlicher Kultur so manches vom Christentum einfach mitbekommen (z.B. Weihnachten, dass es etwas mit göttlichem Kind, lockigem Haar und Familie zu tun hat - die heilige Familie: Wie hießen die gleich nochmal?)

Glaube oder Spiritualität - Mensch auf der SucheIn meiner Arbeit mit jungen Menschen (früher in der Jugendarbeit, seit 10 Jahren mit Studierenden der Medizin und in der Pflegeausbildung) lerne ich immer wieder viele Menschen kennen, die sich für den Glauben interessieren, aber sicher nicht institutionell vereinnahmen lassen von einer Glaubensgemeinschaft.
Manche wollen von mir geistliche Begleitung:
Lesen des Evangeliums, dazu Fragen stellen, Sachen erklären wie Rituale, Sakramente oder warum ein Gott drei Personen in sich birgt? Muss das sein mit der Dreifaligkeit? Was wollte Jesus eigentlich wirklich - unverstellt durch Moral und Klerikal... Das sind u.a. ihre Fragen: Spannend!

Ich würde niemals sagen: Kirche ist überflüssig, aber ich sehe, dass die existierenden Formen und Institutionen (egal welche) es nicht mehr schaffen, die junge Generation und nicht mal mehr die Alten anzusprechen oder dort abzuholen, wo sie sich mit dem Leben und seinen Grenzen und Möglichkeiten herumschlagen müssen.
Die sogenannten Frommen sagen oft, "selber schuld. Können ja mitmachen, dazugehören, sich einfügen". Aber so leicht ist das nicht im Leben. Das weiß ich aus eigener Erkenntnis und Erfahrung. Manchmal gehen Menschen mit ihrer Sehnsucht und ihrem Vertrauen oder auch Zweifel eigene Wege oder Umwege, so wie auf einen Berg Serpentinenstraßen führen, damit es nicht zu steil wird für unsere Vehikel (Auto, aber ist es nicht mit auch Leib und Seele genauso?).

Wer in der Kirche sein/ihr Glück, seine/ihre Gesundheit, sein/ihr Heil findet, den würde ich niemals kritisieren. Wie gesagt, ich verdanke der Kirche als Institution so viel an Wissen. Aber es ist manchmal im Leben wie schon mit der Schule: Man kann viel lernen, muss aber dann auch hinaus ins wahre Leben und erwachsen werden - mündig heißt es in der bayerischen Verfassung als Ziel der Bildung. Und wenn wir ehrlich sind: In der Kirche meinen manche Menschen, wir müssten immer die Schulbank drücken und Kinder bleiben - traditionell wird dafür das Wort "Schafe" im Gegensatz zu "Hirten" gewählt. Wollte Jesus das auch so? Ich glaube nicht. Aber oft läuft es so mit Institutionen: Es gibt schnell ein Oben und ein Unten, Privilegien und die, die keine haben. Arme und Reiche, Gewinner und Verlierer, Würdige und Hochwürdige - sogar Exzellenzen und Eminenzen - willkommen im absolutistischen Mittelalter.....

So habe ich mich nicht entschlossen aus der Kirche zu verschwinden, sondern nur in die Reihe der "Schafe" zurückzutreten, um hier für Menschen da zu sein jenseits von Dogmen, antiquierten oder machtgesteuerten Moralvorstellungen und Klerikern in einer erzwungenen Lebensform, die kein wirkliches Zeugnis für das Evangelien mehr darstellt - nicht nur wegen der ganzen Skandale, die in den letzten Jahren offenbar wurden. Ich wollte als Kleriker (Amtspriester) nicht mehr auf der falschen Seite der Kommunionbank stehen. Schon immer haben mich mehr die Menschen interessiert, die wie mein Namenspatron Suchende und Fragende oder auch heftig Zweifelnde sind. Aufgeklärte und gescheite Menschen genauso wie einfache spirituelle Menschen, die noch keine Sprache für Ihre Erfahrungen, Hoffnungen und Sehnsüchte gefunden haben (davon gibt es gerade und nicht verwunderlich viele im Krankenhaus). Diesen Menschen möchte ich ein Angebot machen. Vielleicht führt dann der Weg des einen oder der anderen eines Tages zur Mitgliedschaft in einer Kirche. Oder es entsteht was Neues. Da vertraue ich dem, von dem ich meine Berufung zum Seelsorger habe (und damit meine ich nicht den Bischof oder den Papst, sondern dem, den ich zitternd und zögerlich "Gott" nenne. Nicht Mann, nicht Frau, sondern - wie es nicht nur im Johannesbrief des Zweiten ("neuen") Testaments heißt: LIEBE.

Glaube geschrieben in den Sand am OzeanHerzlich willkommen. Kirchliche oder nicht kirchliche Menschen auf der Suche. Ich bin bereit, meinen bescheidenen Beitrag zu leisten für Euren spirituellen Weg - so wie Ihr ihn gehen wollt. Als Seelsorger inspiriert von der frohen Botschaft eines Jesus von Nazareth. Das nenne ich "Spiritual Care". Niemand muss Christ werden. Aber bei mir kommt man an Jesus und der Bibel nicht vorbei. Das ist Eure Entscheidung. Institutionell kirchliches kann ich Euch (im klerikalen, amtlichen) Sinn nichts mehr geben. Aber darüber hinaus vieles aus dem Glaubensschatz der vielen Menschen, die Jesus nachgefolgt sind, das ein oder andere heraufholen. Das ist mein Angebot. Natürlich immer begrenzt. Denn auch ich bin nur ein (langsam alternder) Mensch. Und ich habe auch ein Privatleben, eine Beziehung, die mich jeden Tag neu lehrt, was "Liebe" bedeutet. Man lernt ja nicht aus ;-)

 

Zum Schluss ein Zitat des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer:

»Unsere Kirche, die in diesen Jahren nur um ihre Selbsterhaltung gekämpft hat, als sei sie ein Selbstzweck, ist unfähig, Träger des versöhnenden und erlösenden Wortes für die Menschen und für die Welt zu sein … Darum müssen die früheren Worte kraftlos werden und verstummen, und unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen. Alles Denken, Reden und Organisieren in den Dingen des Christentums muss neu geboren werden aus diesem Beten und diesem Tun«

(Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, DBW 9, 435f - zit. in Hennecke, Christian. Raus in eine neue Freiheit!: Die Überwindung der klerikalen Kirche)

 Und noch eines von Alfred Delp:

»Gerade in den letzten Zeiten hat ein müde gewordener Mensch in der Kirche auch nur den müde gewordenen Menschen gefunden. Der dann noch die Unehrlichkeit beging, seine Müdigkeit hinter frommen Worten und Gebärden zu tarnen«

(Alfred Delp, Das Schicksal der Kirchen, 318f - zit. in Hennecke, Christian. Raus in eine neue Freiheit!: Die Überwindung der klerikalen Kirche)

(12 Abstimmens)